Wo selbst Gehsteige privat sind

Wo selbst Gehsteige privat sind
Heiligendamm, 17. Juni 2024

Nur für Luxusgäste: Abgesperrter Gehsteig am Grand Hotel in Heiligendamm

Nach einer ruhigen Nacht in Bad Doberan schaue ich mir das älteste und vielleicht exklusivste Seebad auf dem europäischen Kontinent an: Heiligendamm, offiziell ein Stadtteil von Bad Doberan.

Der 1793 gegründete Ort mit heute gerade einmal 300 Einwohnern wird wegen der von See aus sichtbaren weißen Villenreihe in unmittelbarer Strandlage als „Weiße Stadt am Meer“ bezeichnet.

2007 waren hier die Regierungschefs der G8-Staaten im mondänen Heiligendamm Grand Hotel zu Gast, was dem Ort zu internationaler Publicity verhalf.

Gerne wären die exklusiven Gäste in den vornehmen Hotels und Ferienanlagen unter sich, doch in einer demokratischen Gesellschaft lässt sich der Pleb bekanntlich nur sehr begrenzt fernhalten.

Doch dafür hat es hier viele Zäune und blickdichte Hecken und auch den ein- oder anderen abschließbaren Bürgersteig offensichtlich in Privatbesitz.

Ich nutze die frühen Morgenstunden, als die Herrschaften noch schlafen oder sich gerade frisch machen, um mich zwischen den Villen und am Strand umzuschauen. Schön ist es hier, keine Frage.

Und doch liegt die Exklusivität des großen Geldes wie ein klebriger zuckerweißer Schleier über der Landschaft. Aber vielleicht ist das auch nur mein Sozialneid, weil ich hier nicht im Maybach vorfahren kann. Na, ja, im nächsten Leben bestimmt. Oder auch nicht.

( MITI )

Kloster und Münster Doberan

Kloster und Münster Doberan
Bad Doberan, 16.06.2024

Herausragendes Beispiel der Backsteingotik: Das Doberaner Münster

Eine der Hauptattraktionen von Bad Doberan ist das ehemalige Zisterzienserkloster mit der alten Klosterkirche, dem heutigen Doberaner Münster. Es zählt zu den bedeutendsten hochgotischen Backsteinbauten im Ostseeraum.

Tatsächlich war das Kloster zuerst da. Die Stadt Doberan entstand erst anschließend rund um das Kloster, nachdem dieses durch Schenkungen und Landbesitz prosperierte.

Der Kirchenbau begann um 1280, wobei vorhandene Teile einer älteren romanischen Kirche in den neuen Baukörper einbezogen wurden. Um 1296 waren der Rohbau und das Dachwerk des gotischen Münsters fertiggestellt, 1301 wurde die erste Bronzeglocke geweiht.

Das Kloster besaß bis zur Reformation und Säkularisation 1552 umfangreichen Grundbesitz. Doch durch die Abgeschiedenheit der Region gingen die Erneuerungswellen der Renaissance, des Barock und des Rokoko am Doberaner Münster weitestgehend vorbei. Heute birgt es die vollständigste Originalausstattung aller Zisterzienserklosterkirchen in Europa.

Der prächtige, 4 Meter hohe und um das Jahr 1300 entstandene Hochaltar ist der älteste erhaltene Flügelaltar der Kunstgeschichte. Berühmt ist auch der doppelseitige Kreuzaltar mit einem 15 Meter hohen Triumphkreuz aus der Zeit um 1360/70. Es handelt sich um das monumentalste Werk seiner Art und Zeit europaweit, einzigartig in seiner ikonographischen Ausgestaltung.

Leider ist das Kreuz zurzeit aufgrund von Sanierungsarbeiten in der Kirche teilweise hinter Gerüsten versteckt – seine monumentale Größe kommt dennoch zum Ausdruck. Dass diese imposante und kunstfertige Arbeit bereits mehr als 650 Jahre alt ist, möchte man gar nicht glauben.

( MITI )

Molli meets Zappa

Molli meets Zappa
Bad Doberan, 16. Juni 2024

Molli, die sympathische Bäderbahn

Welche Stadt kann das schon bieten: Eine Dampfeisenbahn, die auf der Haupteinkaufstraße verkehrt und dabei fröhlich pfeifend an einem Frank-Zappa-Denkmal vorüberzieht? Bad Doberan!

Es ist die Bäderbahn Molli, die Bad Doberan mit seinen Stadtteil Heiligendamm an der Ostsee verbindet.

Das Seebad Heiligendamm wurde 1793 gegründet und gilt als das älteste Seebad Europas. Internationale Aufmerksamkeit erfuhr es zuletzt als Austragungsort des G8-Gipfels der führenden Industrienationen im Juni 2007.

Bad Doberan liegt zwischen Rostock und Wismar, rund 6 km von der Ostseeküste entfernt. Die Stadt wuchs um das Kloster herum, das um 1170 n. Chr.  gegründet wurde und als Doberaner Münster bis heute existiert.

Durch seine wirtschaftlichen Unternehmungen war das Doberaner Kloster im Mittelalter sehr wohlhabend. Bis zu seiner Auflösung im Zuge der Reformation 1552 bestimmte es die Entwicklung des Ortes Doberan.

Im 18. Jahrhundert war es der mecklenburgische Herzog Friedrich Franz I., der Doberan zum Erholungs- und Vergnügungsort des mecklenburgischen Adels und später des wohlhabenden Bürgertums bestimmte.

Aus England kam zu dieser Zeit der Ruf, dass Baden in der See äußerst gesundheitsfördernd sei. Auf Anraten seines Leibarztes badete der Herzog im Jahr 1793 deshalb selbst am „Heiligen Damm“ und begründete damit die Geburtsstunde des ersten deutschen Seebades Heiligendamm.

In Doberan wohnten die Badegäste und vergnügten sich mit Glücksspiel, Tanz und Pferderennen. Auf der noch heute bestehenden Galopprennbahn von Doberan wurde im August 1822 das erste öffentliche Galopprennen in Deutschland ausgetragen.

Heute findet dort jährllich das Musikfestival Zappanale in Erinnerung und Verehrung des Rockmusikes Frank Zappa (1940 – 1993) statt. Und genau so ist Bad Doberan auch zu der Zappa Büste im Kopfbereich seiner Haupteinkaufstraße gekommen. Was für ein Kreisschluss.

( MITI )

Die Mutigen von Ribnitz

Die Mutigen von Ribnitz
Ribnitz-Damgarten, 16. Juni 2024

Erinnerungstafel am Rathaus

Ich verlasse den Darß und durchquere das Fischland in Richtung Westen, um die Bernsteinstadt Ribnitz-Damgarten östlich von Rostock am Südrand des Saaler Bodden zu besuchen.

Im ehemaligen Kloster im Ortszentrum ist das größte deutsche Bernsteinmuseum untergebracht, und das nicht von ungefähr.

Denn in Ribnitz war der VEB Ostseeschmuck ansässig, der in der DDR bedeutendste Produzent und Exporteur von in Silber eingefasstem Bernsteinschmuck.

Mehr als dieses Thema fasziniert mich jedoch die oben abgebildete Tafel, die ich am Rathaus entdecke.

Als die Front im Osten zusammenbrach, sollten kurz vor Kriegsende Anfang Mai 1945 800 verbliebene Insassen aus Ravensbrück, dem größten KZ für weibliche Häftlinge, auf einem Todesmarsch nach  Westen getrieben werden.

Wer nicht mehr weiterkonnte, wurde am Wegesrand erschossen oder erschlagen. Doch beim Durchqueren von Ribnitz stellten sich die Bürger den SS-Kommandos entgegen und bewogen die bereits demoralisierten Restverbände zum Abzug ohne ihre Geiseln. Die Frauen wurden dadurch gerettet. Was für eine Heldentat.

( MITI )

Leuchtturm am Darßer Ort

Leuchtturm am Darßer Ort
Prerow, 16. Juni 2024

Der Leuchtturm vom Strand aus gesehen

Darß (slawisch „Dornenland“) nennt sich der mittlere Teil der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst an der südlichen Ostseeküste bei Prerow in Mecklenburg-Vorpommern.

Der Darß hat eine Ausdehnung von zehn bis zwölf Kilometern jeweils in Nord-Süd- und West-Ost-Richtung. Im Norden wird er von der Ostsee und im Süden vom Saaler Bodden und vom Bodstedter Bodden begrenzt.

Er umfasst die Dörfer Born, Prerow und Wieck, ist größtenteils bewaldet und geht an der Küsten über feinen Sandstrand ins Meer über.

Die nördlichste Landzunge dieser Halbinsel bildet der Darßer Ort, der als nationales Geotop geschützt und nur zu Fuß bzw. mit dem Fahrrad zugänglich ist.

Dort befindet sich ein Leuchtturm und eine Marinefunkstation, sowie ein kleines Naturparkzentrum. In diesem Bereich war ich heute Morgen unterwegs, weil sich dort eine hoch spannende Landbildung quasi in Zeitlupe verfolgen lässt.

Der Darßer Ort ist durch Sand- und Sedimentablagerungen entstanden. Diese wurden durch Westströmung an der Küste der Halbinsel Fischland abgetragen und haben sich am Darßer Ort wieder angelagert. Dieser Prozess setzt sich bereits seit mindestens 250 bis 300 Jahren fort.

Weiterhin kommt es am Darßer Ort zur Entstehung neuen Landes beziehungsweise der Abtrennung von Teilen der Ostsee, aktuell der Ottosee, Libbertsee und Fukareksee, und anschließender Verlandung.

In einem Prozess über mehrere Jahrzehnte wächst auf den verlandeten Flächen dichter Wald. Das lässt sich im Darßer Wald beobachten, wo sich ca. 6 Kilometer weiter südlich von der heutigen Küste mitten im Wald die Abbruchkante das „Altdarß“ befindet, die die ursprüngliche Küstenlinie darstellt. Was für eine Dynamik der Natur.

( MITI )

Am Barther Bodden

Am Barther Bodden
Barth, 15.06.2024

Blick zurück in den Hafen von Barth

Als am Vormittag wie angekündigt ein großes Regengebiet aufzieht, suchen wir uns ein trockenes Plätzchen gegenüber des Darß am südlichen Ufer des Barther Boddens.

Wir stellen uns auf den offiziellen Womo-Stellplatz im Ort Barth und lassen den Regen über uns hinwegziehen. Als am Nachmittag wieder die Sonne erscheint, unternehme ich mit Doxi eine zweistündige Wanderung über die Halbinsel zwischen Barther Strom und Barther Bodden.

Es geht immer am Wasser entlang durch das wildreiche Feuchtgebiet Kuhwiese. An einer Stelle überraschen wir sechs Frischlinge, die gerade im Uferbewuch des Barther Boddens wühlen.

Wo die Frischlinge unterwegs sind, wird die Bache nicht weit sein. Ich leine Doxi an und vorsichtig schleichen wir uns an der Stelle vorbei. Einzelne Wildschweinchen verdrücken sich leise quiekend ins Ufergras, andere bekommen von uns glücklicherweise gar nichts mit.

Auf dieser Landzunge befand sich im Zweiten Weltkrieg das erste permanente Kriegsgefangenenlager für Angehörige der alliierten Luftstreitkräfte. Es wurde von der Deutschen Luftwaffe verwaltet.

Am Ende des Krieges war das Lager mit 9000 Inhaftierten völlig überbelegt. Die Zuständen waren fürchterlich. Insbesondere sowjetische Militärangehöre – ob Mannschafts- oder Offiziersdienstgrade – hatten aufgrund der nationalsozialistischen Rassenideologie nur geringe Überlebenschancen.

Von den wenigen, die das Kriegsende dennoch überstanden und in die Sowjetunion zurückkehrten, landeten nicht wenige in Straflagern, weil Stalin alle Sowjetsoldaten, die in die Hände des Gegners gefallen waren, als Verräter betrachtete. Wie zynisch.

( MITI )