Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Von Freiherr von Kürenberg, etwa 1152, gelernt Januar 2023
Ich zog mir einen Falken Länger als ein Jahr, Und da ich ihn gezähmet, Wie ich ihn wollte gar, Und als ich sein Gefieder Mit Golde wohl umwand, Stieg er hoch in die Lüfte, Flog in ein anderes Land.
Seither sah ich den Falken So schön und herrlich fliegen, Auf goldrotem Gefieder Sah ich ihn sich wiegen, Er führt an seinem Fuße Seidne Riemen fein: Gott sende sie zusammen, Die gerne treu sich möchten sein!